Menschenkette um den Bundestag

Deutschlands großer Demosamstag: Welche Proteste gegen rechts geplant sind

Demonstranten bei der Demo Demokratie verteidigen – Zusammen gegen Rechts vor dem Reichstag.

Demonstranten bei der Demo Demokratie verteidigen – Zusammen gegen Rechts vor dem Reichstag.

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Berlin. Die Demonstrationen gegen die AfD und gegen Rechtsextremismus in Deutschland reißen nicht ab. In den vergangenen Wochen waren Hunderttausende bundesweit auf den Straßen.

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Der vorläufige Höhepunkt der Protestwelle steht jedoch voraussichtlich erst bevor: Ein Protestbündnis ruft für Samstag, den 3. Februar zu einer Großdemonstration in Berlin auf.

Was ist am 3. Februar in Berlin geplant?

Das Aktionsbündnis „Hand in Hand“ ruft dazu auf, sich am Samstag, dem 3. Februar ab 13 Uhr auf der Bundestagswiese im Berliner Regierungsviertel zu versammeln. Die Organisatorinnen und Organisatoren der Protestaktion schreiben auf ihrer Webseite: „Es ist unsere gemeinsame Verantwortung, als Zivilgesellschaft ein solidarisches Miteinander zu verteidigen. Am 3. Februar zeigen wir mit einer großen Aktion um das Bundestagsgebäude: Wir sind die Brandmauer!“ Sie wollen mit einer Menschenkette rund um das Parlamentsgebäude eine symbolische „Brandmauer“ um den Bundestag ziehen. Es sind Redebeiträge und Auftritte von Musikerinnen und Musikern geplant – nach RND-Informationen sollen aber bewusst keine Parteipolitikerinnen und -politiker sprechen.

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Wer wird auf der Demonstration in Berlin sprechen und auftreten?

Die Demonstration soll mit einer kurzen Rede und Moderation der Journalistin Anna Dushime und des Aktivisten und Pro-Asyl-Mitarbeiters Tareq Alaows eröffnet werden. Anschließend sollen Redebeiträge unter anderem von der Autorin und Menschenrechtsaktivistin Düzen Tekkal, dem Publizisten Stephan Anpalagan, der Correctiv-Geschäftsführerin Jeanette Gusko, dem Klimaaktivisten Jakob Springfeld und den „Omas gegen Rechts“ folgen.

Dazu kommen Liveauftritte mehrerer Musikerinnen und Musiker: Angekündigt sind die Sängerinnen Nina Chuba und Malonda sowie die Band Deichkind.

Hunderttausende demonstrierten erneut gegen rechts in ganz Deutschland

Auslöser der Proteste waren am 10. Januar Enthüllungen des Recherchezentrums Correctiv über ein Treffen radikaler Rechter.

Wer ist das Bündnis „Hand in Hand“, das die Demonstration organisiert?

Hinter dem Bündnis stecken verschiedene zivilgesellschaftliche Organisationen und Initiativen. Der Protestaufruf des Bündnisses wurde von mehr als 1100 Organisationen unterzeichnet. Darunter sind zum Beispiel Gewerkschaften, Sozialverbände und Migrantenorganisationen und zahlreichere kleinere politische Initiativen.

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Eine wichtige Rolle spielen dabei die Kampagnenprofis von Campact. Der Verein organisiert bereits seit 20 Jahren Demonstrationen, Kampagnen und Petitionen. Zur Unterstützung der aktuellen Protestwelle nutzt Campact etwa seinen E-Mail-Verteiler mit 3,5 Millionen Abonnenten. „Wir unterstützen auch durch unser Know-How und durch Geld“, sagte Campact-Geschäftsführer Christoph Bautz dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Wir haben bislang rund 800.000 Euro zur Unterstützung der Proteste ausgegeben.“ Damit seien vor allem Lautsprecheranlagen und Bühnentechnik finanziert worden. Campact selbst finanziert sich aus Spenden von Einzelpersonen. Staatliche Mittel, Firmen- oder Parteispenden nimmt der Verein nicht an.

Was soll auf die Großdemo in Berlin noch folgen?

Das Protestbündnis „Hand in Hand“ soll auch über diesen Samstag hinaus bestehen bleiben. „Das nächste große Datum, auf das wir schauen müssen, ist der 9. Juni“, sagte Bautz. An diesem Tag finden neben den Europawahlen auch Kommunalwahlen in neun Bundesländern statt. „Davor brauchen wir nochmal eine Protestwelle, um möglichst viele Menschen davon abzuhalten, die AfD zu wählen. Deshalb bereiten wir uns jetzt schon mit einem großen Bündnis auf den 8. Juni vor“, kündigte der Campact-Chef an. „Wir wollen an dem Tag überall im Land zu Großdemonstrationen mobilisieren und dazu aufrufen, zur Wahl zu gehen und demokratisch zu wählen.“

„Das aktuelle Momentum der Proteste wird sich nicht ewig aufrecht halten lassen“, sagte Bautz. „Bewegungen funktionieren immer in Wellen, das war bei Fridays for Future oder der Anti-Atom-Bewegung auch so. Es braucht neue Anlässe, auf die Straße zu gehen. Die Wahlen im Juni und auch die Landtagswahlen im September sind solche Anlässe, bei denen es um viel geht.“

Bei den aktuellen Demonstrationen machten viele Menschen positive Erfahrungen, die dafür sorgten, dass sie auch wieder auf die Straße gehen. „Auch deshalb ist es so wichtig, dass wir die Proteste mittig halten, anschlussfähig auch in CDU-Kreise. Wir müssen eine Kritik an der Union formulieren, wenn sie populistische Narrative verwendet“, stellte Bautz klar. „Aber wir wollen CDU-Wählerinnen und Wähler genauso auf unseren Demos sehen, wie Wählerinnen und Wähler der Linken.“

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Die SPD-Parteivorsitzende Saskia Esken mahnte unterdessen eine bessere Unterstützung der Zivilgesellschaft an. „Viele Menschen in Deutschland sind entsetzt über die Deportationspläne rechtsextremer Netzwerke, die das Recherchenetzwerk Correctiv aufgedeckt hat“, sagte Esken dem RND. „Es ist beunruhigend, wie tief die AfD in diese Netzwerke eingebunden zu sein scheint - eine Partei, die im Bundestag und in fast allen Landesparlamenten vertreten ist. Gerade deshalb müssen wir die zahlreichen zivilgesellschaftlichen Initiativen stärken, die sich überall im Land für unsere Demokratie, für Vielfalt und Zusammenhalt einsetzen“, forderte die SPD-Politikerin. Um demokratische Kräfte nachhaltig zu stärken, brauche es jetzt das von der Ampel geplante Demokratiefördergesetz. „Das Gesetz liegt beschlussfähig im Deutschen Bundestag und muss jetzt rasch beschlossen werden. Viele, die in diesen Tagen auf die Straße gehen und viele, die in erster Reihe stehen im Kampf für Demokratie und gegen Rechtsextremisten, warten auf dieses wichtige politische Zeichen“, sagte Esken. Die SPD werde nicht lockerlassen, „bis wir die Förderung von Demokratie-Projekten, Initiativen und Vereinen langfristig und nachhaltig abgesichert haben.“

Was steht im Aufruf des Bündnisses?

Das Bündnis erklärt in seinem Aufruf, sich „für eine offene, demokratische, plurale und solidarische Gesellschaft“ und „gemeinsam gegen den Rechtsruck in Deutschland und Europa“ stellen zu wollen. Die politische Lage in Deutschland entwickle sich alarmierend: „Rechte und rechtsextreme Ansichten bekommen öffentlichen Rückhalt. Rassismus, Antisemitismus und andere Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit nehmen zu“, heißt es im Protestaufruf. Das Bündnis kritisiert nicht nur die AfD. „Geflüchtete werden massiv entrechtet, sie und Menschen, die sie unterstützen, werden zunehmend kriminalisiert“, schreibt das Bündnis etwa.

21.01.2024, Mecklenburg-Vorpommern, Neubrandenburg: Demonstrierende halten Plakate "Omas gegen Rechts" hoch. Die Versammlung auf dem Marktplatz wurde unter dem Namen "Die Würde des Menschen ist unantastbar" angemeldet. Der Protest wurde vom "Bündnis für Zusammenhalt" organisiert, welches laut im November 2023 gegen den AfD-Landesparteitag in Neubrandenburg gegründet wurde. Mittlerweile umfasse das Bündnis über 200 Leute und lade alle Menschen ein, sich ihnen anzuschließen. Foto: Stefan Sauer/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

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Wo finden am 3. Februar noch Demonstrationen gegen die AfD statt?

Parallel zur Großdemonstration in Berlin sind am Samstag mehr als 100 weitere Demonstrationen und Kundgebungen gegen die AfD und gegen Rechtsextremismus in vielen Städten in ganz Deutschland geplant. Eine größere Kundgebung wird etwa in Dresden erwartet. Dort ist ebenfalls eine Protestaktion unter dem Titel „Wir sind die Brandmauer“ geplant, die zeitgleich mit dem Berliner Protest um 13 Uhr auf dem Theaterplatz starten soll. Auch in Neuwied (Rheinland-Pfalz), Kamp-Lintfort (Nordrhein-Westfalen), Wiesloch (Baden-Württemberg), Wolfenbüttel (Niedersachsen), Eutin (Schleswig-Holstein), Hamburg und anderen kleineren und großen Städten wollen Menschen auf die Straße gehen.

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Was können die Demonstrationen gegen die AfD überhaupt bewirken?

Die AfD hat in jüngsten Umfragen zum ersten Mal seit Längerem wieder schlechter abgeschnitten als zuvor. Nur mit den Protesten gegen die Partei lässt sich das zwar nicht einfach erklären. Die Proteste hätten aber sehr wohl das Potential, „die AfD bundesweit um ein paar Prozentpunkte zu schwächen“, sagte der Politikwissenschaftler und Kommunikationsberater Johannes Hillje dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Das Wachstum der AfD scheint gebremst, die Verlustpotentiale liegen aber eher bei den neueren AfD-Anhängern, die in den vergangenen Monaten von anderen Parteien und aus dem Nichtwählerlager zur AfD gewechselt sind“, sagte Hillje.

Man werde mit den Demos niemanden aus der Stammwählerschaft der AfD überzeugen können. „Die Stammwähler könnten im Gegenteil noch gefestigter werden, weil Angriffe von außen den inneren Zusammenhalte stärken können“, so Hillje. „Bei frustrierten Wechselwählern, die von der AfD nicht voll überzeugt sind, könnte aber ein Reflexionsprozess einsetzen.“ AfD-Experte Hillje erklärt das so: „Wenn die Stimmung dieser Demos auch im Arbeitsumfeld, im Freundeskreis oder im Sportverein Einzug hält, wird es sozial unerwünschter, sich mit der AfD zu identifizieren.“

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Zudem sorgten die Demonstrationen für eine Politisierung und Mobilisierung der demokratischen Mitte gegen Rechtsextremismus. „Wir erleben eine wehrhafte Demokratie von unten“, sagte Hillje. „Die Demonstrationen leben davon, dass sie keine parteipolitische Angelegenheit sind, sondern einen kleinen, aber sehr gewichtigen gemeinsamen Nenner haben: Die Verteidigung der freiheitlich demokratischen Grundordnung.“

Auch Campact-Geschäftsführer Christoph Bautz sieht bereits Erfolge. „Ich habe den Eindruck, dass es schon die ersten Folgen der Proteste gibt. Die Schwelle für die CDU, im Herbst in einem der ostdeutschen Bundesländer in Richtung einer AfD-Regierungsbeteiligung zu gehen, liegt jetzt nochmal wesentlich höher. Würde sie das tun, wäre die nächste Protestwelle da – und sie würde auch von CDU-Wählermilieus getragen werden“, sagte Bautz dem RND.

„Auch der Gewinn des CDU-Kandidaten Herrgott gegen den AfD-Kandidaten bei der Landratswahl im Saale-Orla-Kreis in Thüringen ist ein Ergebnis dieser Massenproteste“, glaubt der Campact-Chef. „Die Protestwelle erreicht viele Menschen, die am Zögern sind, ob sie die AfD wählen wollen oder nicht. Wir erreichen nicht die Kernwähler der AfD, aber viele Leute, die vor kurzem noch demokratische Parteien gewählt haben.“

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